Der Stadtsekretär notierte am 27. Juli 1942: »Die letzten Juden wurden von hier nach Koblenz gebracht, um auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei nach Theresienstadt gebracht zu werden.«
Vor 80 Jahren wurde Oberwesel »judenfrei« gemacht. Die auf dem Heumarkt bei Adolf Seligmann einquartierten Mitbürger mussten sich früh morgens mit Handgepäck am Rathaus einfinden und wurden zum Bahnhof getrieben. Ihr gesamtes Vermögen wurde zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Die jüngste, Ruth Lichtenstein, war elf Jahre alt, der älteste, ihr Großvater Karl Lichtenstein, war 85. Zur Familie zählten Ruths Eltern, der Kaufmann Theodor Lichtenstein und seine Frau Selma, und die Söhne Günther und Karl-Heinz. Am 2. April hatten sie ihr Haus auf dem Schaarplatz verlassen müssen, was sie besaßen, wurde beschlagnahmt und später versteigert.
Am gleichen Tag waren die Geschwister Moritz und Jenny Mayer aus der Liebfrauenstraße ins Sammellager Bad Salzig transportiert worden, am 27. Juli waren nun ihr Bruder, der Weinhändler Leo Mayer, und seine Frau Ida dran. Ebenso traf es jetzt die Witwen Bertha Salomon, geb. Gerson, und Bertha Gerson, geb. Kahn, sowie Albert und Bertha Kahn und Sara Kahn, sie wohnten zuvor in der damaligen Simmerner Straße (heute Chablisstraße), und Adolf Seligmann vom Heumarkt.
Auch die Geschwister Lina, Herta und Julius Marx und seine Frau Paula aus der Pliersgasse waren schon am 2. April „in den Osten“ deportiert worden, ebenso Emma und Wilhelm Frenkel aus der Kirchstraße und die gehbehinderte Else Trum.
Die letzten 14 Oberweseler Juden brachte die SS am 27. Juli 1942 in Abteilwagen 3. Klasse, die an einen Personenzug angehängt waren, zum Güterbahnhof Koblenz-Lützel. Dort wurden sie gegen halb sieben abends in den aus Trier kommenden Sonderzug getrieben. Gegen halb acht fuhr der Zug in Lützel ab und erreichte um halb neun Köln-Deutz Tief. Eine Stunde später verließ der Zug mit 1.165 Menschen Köln-Deutz. Am nächsten Tag kam er gegen acht Uhr abends im Ghetto Theresienstadt an.
Nur die Lichtenstein-Kinder, ihre Mutter Selma und – wie durch ein Wunder – ihr alter Großvater Karl überlebten, sie kamen drei Jahre später zurück. Im Januar 1947 verließen sie ihre Heimat für immer.
Auf den Tag genau 80 Jahren nach der Deportation der letzten Oberweseler Juden legte Stadtbürgermeister Marius Stiehl am 27. Juli 2022 um 14.00 Uhr im Gedenken an unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger am Denkmal auf dem Schaarplatz einen Kranz nieder.
Vorzimmer des Stadtbürgermeisters
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